CSD Freiburg

Der Freiburger CSD

Der Freiburger CSD

Der Christopher Street Day (CSD) ist für uns Ausdruck von Emanzipation. Wir unterstützen die Forderungen des Transgenialen CSD in Berlin (T*CSD). Solidarität und die Verknüpfung verschiedener Unterdrückungsformen sind für uns Bestandteil des Kampfes gegen Ausgrenzung und Diskriminierung. Wir sehen unseren Kampf gegen die Unterdrückung von LSBTIQA*-Menschen (Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Trans*, Intersexuell, Queer, Asexuell) im Kontext mit anderen sozialen Bewegungen. Auch aus diesem Grund wird es einen Infostand der Tierrechtsinitiative geben und die Versorgung der CSD-Teilnehmer*innen vor Ort wird ausschließlich vegan gestaltet. Auf den CSD-Veranstaltungen bewerben wir aktiv das Konzept von Awareness und wünschen uns einen achtsamen Umgang ALLER miteinander und sich selbst. Wir wenden uns entschieden gegen jeden Sexismus, Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus. In Anbetracht des Demonstrationscharakters der Veranstaltung wünschen wir uns gerade deshalb einen sensiblen Umgang mit Nationalsymbolik.
Soziale oder geografische Herkunft von Menschen ebenso wie deren psychische oder physische Fähigkeiten dürfen kein Grund für Ausgrenzung sein.
Nazis, rechtskonservative oder religiöse Fanatiker*innen sind auf allen unseren Veranstaltungen ausdrücklich NICHT willkommen.

Die Aufstände in der Christopher Street 1969 sind ein Symbol für die Versuche Homo- und Transsexueller sich gegen die staatliche Unterdrückung ihres (Liebes)Lebens zur Wehr zu setzen. Die Auseinandersetzungen stellen eine Art Zäsur in der öffentlichen Wahrnehmung des Widerstands gegen heteronorme Machtverhältnisse dar – Machtverhältnisse die in der Verfolgung und Ermordung Homosexueller eine historische Kontinuität haben.

In Deutschland gipfelte diese im Nationalsozialismus, wo die Verschärfung des §175 dazu führte, dass tausende Homosexuelle in Konzentrationslager verschleppt wurden und damit dem Naziterror zum Opfer fielen. Seither wurde viel erkämpft, der §175 der sexuelle Handlungen unter Männern unter Strafe stellte wurde 1994 endlich endgültig abgeschafft. Und obwohl Homo-, Bi-, Inter- und Trans*-Menschen in Deutschland nicht mehr verfolgt werden, kann von einer wirklichen Gleichberechtigung in allen gesellschaftlichen Bereichen keine Rede sein. Von staatlicher Seite wird noch immer diskriminiert, was nicht der Heteronorm entspricht.

So werden homosexuelle Paare rechtlich anders behandelt und sie haben nicht in gleichem Maße das Recht Kinder zu adoptieren wie Heterosexuelle. Immerhin: Die WHO hat angekündigt, in ihrem neuaufgelegten ICD11 Transsexualität nicht mehr als psychische Krankheit zu definieren. Bislang galten transsexuelle Menschen und Transgender*-Personen entgegen ihrer Selbstdefinition als „geschlechtsidentitätsgestörte Frau oder Mann“ und damit als kranke, behandlungsbedürftige Menschen. Ihnen wurde also vom Staat nicht zugestanden, ihre Geschlechtsidentität selbst zu bestimmen, auch außerhalb des binären Geschlechtsverständnisses. Wir sind gespannt, welche Änderungen sich durch den ICD11 der WHO ergeben. Aber nicht nur von Seiten des Staates gibt es in Deutschland Handlungsbedarf.

Die immer noch hitzig geführte Debatte um den Bildungsplan in Baden-Württemberg zeigt, wie rechtes Gedankengut gepaart mit religiösem Fanatismus dazu führen, dass Menschenfeindlichkeit und Antihomohetze wieder einen Nährboden finden. Dass die Selbstmordrate von homosexuellen Jugendlichen bis zu siebenmal höher liegt als bei anderen Gleichaltrigen wird kaum registriert oder wird gar als Beleg für deren Problematik angesehen. Vielmehr propagieren rechte und rechtspopulistische Gruppen, religiöse und sogenannte konservative Bürger*innen den Untergang der Menschheit, weil laut neuem Bildungsplan künftig in Schulen vermittelt werden sollte, dass es mehr gibt als Mann und Frau und die Liebe in der Hetero“normalität”.

In allen gesellschaftlichen Bereichen werden wir damit konfrontiert, dass es normal sei heterosexuell zu sein, inklusive einem Wust sexistischer Rollenbilder die Frau und Mann zu erfüllen haben. Diese Themen betreffen alleine in Deutschland hunderttausende Menschen. Umfragen zufolge wagt es aber gerade einmal jede*r vierte Homosexuelle sich zu outen. Das heißt, dass es nur ein Bruchteil der Menschen schafft, ihre Sexualität oder Liebe zu leben und die überwiegende Mehrheit von Homosexuellen ein unerträgliches Versteckspiel oder Doppelleben führen muss, was für den Profifußball ebenso gilt wie für alle anderen Lebensbereiche. Bei transsexuellen Menschen liegt die Dunkelziffer derer die versteckt leben noch höher. So führt gerade die Angst vor Ausgrenzung und Gewalt dazu, dass es kaum möglich ist, die Anzahl der “sexuell anderen” realistisch zu benennen. Sicher ist, dass es Homo-, Bi-, Inter-, A-, Trans* und queere Identitäten schon immer gab und auch künftig in allen Gesellschaften und Kulturen geben wird.

Menschen zu verfolgen und sie durch religiösen oder staatlichen Eifer zu ermorden oder zu unterdrücken zementiert Machtstrukturen, die alle Menschen am Leben hindert, die die Norm der Heterosexualität nicht erfüllen. Homo- und Transsexuelle müssen fliehen und ihre Familien verlassen, weil es noch immer Staaten gibt, in denen ihnen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung die Todesstrafe droht. Diese Dramatik wird dadurch noch verschärft, indem Länder wie Deutschland mit genau solchen Regierungen beziehungsweise Regimen zusammenarbeiten und im diplomatischen Eiertanz keine klaren Worte finden. Und die Gesetzeslage gegen sogenannte sexuelle Minderheiten verschärft sich weiter, wie beispielsweise in vielen afrikanischen Staaten oder auch in Indien und Russland.

Staatliche Verfolgung und religiöse Hetze sind Wasser auf die Mühlen von reaktionären, rechtsextremen und konservativen Kräften, was dazu führt, dass zum Beispiel im Jahr 2014 in Russland Neonazis Kopfprämien für die Ermordung von Homosexuellen zahlten oder aktuell in Tschetschenien über hundert vermeintlich schwule Männer verhaftet wurden. In vielen Ländern werden Webseiten gesperrt in denen das Wort “GAY” auftaucht. Die großen Religionsgemeinschaften treiben Homophobie und die Ausgrenzung von Homosexuellen weltweit voran. Die psychischen und physischen Folgen für die Betroffenen sind katastrophal. Es stimmt, dass in den vergangenen Jahrzehnten viel erkämpft wurde und es positive Entwicklungen für sogenannte sexuelle Minderheiten gab; und trotzdem sind die derzeitigen Zustände in Deutschland nicht akzeptabel. Weltweit sind sie unerträglich.

Der Christopher Street Day ist ein Gedenk- und Festtag an dem wir auf die Straßen gehen. Ein Tag, an dem wir unser Leben in die Öffentlichkeit tragen. Ein Tag, an dem wir Gleichberechtigung für ALLE fordern. Ein Tag von 365 Tagen im Jahr. Der CSD ist ein Tag, an dem wir allen Opfern von Homofeindlichkeit und Sexismus gedenken. Ein Tag, an dem wir feiern und an dem wir kämpfen; für eine Welt in der Ausgrenzung und Diskriminierung keinen Platz mehr haben. Wir haben genug von politischen Sonntagsreden und falscher Toleranz. Wir fordern eine ernsthafte Auseinandersetzung mit LSBTIQA*-Themen auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen. Mit der CSD-Demonstration bzw. Kundgebung in Freiburg verleihen wir unseren Forderungen auch im Süden Deutschlands Nachdruck.