Offener Brief an die Stadt Freiburg

Offener Brief an die Stadt Freiburg

Offener Brief bezüglich des städtischen Umgangs mit dem CSD

Sehr geehrter Oberbürgermeister Dr. Salomon,
sehr geehrte Stadträt*innen,

wir blicken auf einen sehr erfolgreichen Christopher Street Day am 01.07.2017 zurück. Trotz des mäßigen Wetters haben über 6000 Menschen an diesem Samstag für Toleranz und Vielfalt demonstriert. Dies stuft den Freiburger CSD als eine der größten Demonstrationen Freiburgs ein. Unser Resümee zu der Veranstaltung werden wir jedoch an anderer Stelle öffentlich machen. Wir richten uns in diesem offenen Brief an Sie, um die Verhandlungen mit der Stadt zu reflektieren und transparent zu machen, warum der gesamte Vorgang dieses Jahr alles andere als zufriedenstellend für uns war.

Zunächst möchten wir äußerst positiv betonen, dass die Kommunikation mit Herrn Harry Hochuli, dem polizeilichen Einsatzleiter während der Parade, ausgezeichnet funktioniert hat.

Unsere Kritik möchten wir allerdings damit beginnen, dass CSDs an vielen Orten ein Aushängeschild der Städte sind. Uns wurde dieses Jahr das Gefühl vermittelt, die Veranstaltung sei vielmehr ein nötiges Übel, das man über sich ergehen lassen müsse. Dies begann bereits bei Aufnahme der diesjährigen Verhandlungen. Dort schlug der Leiter des Amts für öffentliche Ordnung, Walter Rubsamen, vor, die CSD-Parade an der Messe starten zu lassen, da sich dort niemand gestört fühle. Diese Aussage ist nicht nur in höchstem Grade anmaßend, sondern gerade für eine Stadt wie Freiburg, die sich selbst als Hochburg der Toleranz und Vielfalt zeichnet, politisch sehr fragwürdig. Der Christopher Street Day, der als politische Demonstration unter das Versammlungsgesetz fällt, steht in der Tradition der Straßenschlachten in der New Yorker Christopher Street und zelebriert die Sichtbarmachung und den politischen Kampf queerer Menschen. Der Vorschlag den Start der Parade an einen Ort zu verlegen, wo sie niemand sehen kann, gleicht geradezu einer Beleidigung jedes queeren Menschen, der jemals unter Repressionen, egal ob staatlich oder gesellschaftlich, gelitten hat. Das gesamte Gespräch über trat Herr Rubsamen durch äußerst störendes, unkooperatives und provozierendes Verhalten auf, sodass kein vernünftiges und produktives Gespräch entstehen konnte.

Diese grundsätzliche Haltung zog sich durch den gesamten Verhandlungsprozess in diesem Jahr. Eine Bestätigung für eine finale Route bekamen wir sieben Tage vor der Veranstaltung. Die Routenfindung war ein langer und äußerst anstrengender Prozess, der durch Verzögerungen und fadenscheinige Ausreden der Stadtverwaltung sehr schwierig gestaltet wurde. Dieser Prozess begann mit der Diskussion über einen Aufstellungsort. Alle unserer Vorschläge wurden unter uns nicht plausiblen Gründen zurückgewiesen, wie z. B. der Platz vor dem Konzerthaus (Begründung: der wirtschaftliche Betreiber des Konzerthauses wünscht diese Demonstration nicht vor seiner Haustür) oder der Rotteckring. Uns wurde unter Protest die Werthmannstraße zugeteilt, eine Straße bestehend aus zwei engen (stark frequentierten) Fahrradstraßen, auf denen das organisierte Arrangieren und Anordnen von Lkws schlichtweg unmöglich ist, wenn der zweite Fahrstreifen als Rettungsgasse freigehalten werden muss. Wir haben am Veranstaltungstag versucht das Beste daraus zu machen und Wägen auf verschiedene Zeiten einbestellt, mussten aber irgendwann feststellen, dass wir keine Möglichkeit haben zu handeln, sollten Wägen zu früh oder zu spät erscheinen. Zudem wurden die Zufahrtsstraßen zur Wehrtmannstraße durch die Polizei zu spät und nicht konsequent genug abgesperrt, sodass sich plötzlich private Pkws in der Aufstellung wiederfanden. Die Führung der Route war der nächste Punkt, der alleinig politisches Kalkül vermuten lässt. Unsere Bitte den Paradenzug über die Kaiser-Joseph-Straße zum Schwabentor zu führen wurde unter der Argumentation der Baustellensituation verweigert. Wer sich zur momentanen Zeit jedoch am Bertholtsbrunnen umsieht, muss zwangsläufig feststellen, dass die Baustelle so weit entfernt ist, dass eine Führung auf dieser Strecke keine Probleme dargestellt hätte. Die Route wurde über den Schloßbergring in eine Schleife geführt. Wie im vorhergehenden Absatz schon geschildert, ist der CSD eine Demonstration für die Sichtbarkeit, den Zug dann über eine der am wenigstens von Menschen frequentierten Straßen zu leiten, hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.

Des Weiteren müssen wir uns die Frage stellen, inwiefern der Freiburger CSD eine von der Stadt erwünschte Versammlung ist. Wenn etliche Privathäuser, Gastonomiebetriebe und Einzelhandelsgeschäfte zum CSD die Regenbogenfahne hissen oder aufhängen, die Freiburger Stadtverwaltung es aber nicht schafft das Rathaus zu beflaggen, obwohl sie bereits drei Monate im Voraus darum gebeten wurde.

Wir erhoffen uns, dass dieser offene Brief diese Missstände in der Kommunikation transparent macht und eine Diskussion über die Begriffe der Toleranz und Vielfalt im Freiburger Kontext aufwirft. Eine Stadt, die sich diese Label gibt, muss auch darauf achten, dass ihr Personal, das sich um solche Angelegenheiten kümmert, nicht mit fragwürdigen politischen Motiven agiert.

Mit freundlichen Grüßen

das Orga-Team des Christopher Street Day Freiburg e. V.

 

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