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Wie queer sind Sie eigentlich? Interview zur OB-Wahl in Freiburg

Am 22. April 2018 ist OB-Wahl – Zeit für die queere Community sich zu fragen, wer von den Kandidierenden sich für ihre Belange einsetzt. Welche Stellung nimmt das Thema Vielfalt und Akzeptanz in den Programmen und Vorstellungen der Kandidierenden ein?

Genau das haben sich der CSD Freiburg und das Regenbogenreferat der Uni Freiburg gefragt. Mit vier der sechs Kandidierenden konnten wir ein persönliches Gespräch führen und haben sie zu Themen befragt, die den aktiven Gruppen im LSBTIQA*-Bereich ein Anliegen sind.

 

Wie sehen Sie das? Gibt es in Freiburg Missstände, was die Belange der LSBTIQA*-Community angeht? Wenn ja, welche Ziele und Programmatik zur Verbesserung der Umstände haben Sie dazu?

Es geht mir generell immer um Inklusion; Diskriminierung ist eine fortwährende Herausforderung unserer Gesellschaft, auch hier in Freiburg. Freiburg ist eine sehr weltoffene Stadt einerseits, andererseits in gewissen Bereichen auch ganz schön reaktionär. Was ich ganz klar sehe, bei LSBTIQA*-Themen, ist, dass wir einerseits eine Öffnung in der Gesellschaft benötigen, aber andererseits auch eine Öffnung in der Verwaltung. D.h. ich setze mich ein für Geschlechtergerechtigkeit in der ganzen Vielfalt, ob es hierbei um mehr Frauen* in Führungspositionen geht oder die Sicherheit, sich offen zur eigenen sexuellen Orientierung äußern zu können, ohne dafür diskriminiert zu werden. Daran möchte ich arbeiten.

zu Handlungsspielraum als OB: Man gibt als OB Leitlinien vor, man bestimmt die Fahrtrichtung, man vertritt die Stadt nach außen und sitzt bspw. dem Stadtrat vor, hat also ein klares Handlungsprofil. Also ich glaube, dass in der Stadtverwaltung sehr viele engagierte Menschen arbeiten und vieles gut läuft. Aber politisch muss ich sagen, herrscht unter Dieter Salomon einfach in vielen Bereichen ein Stillstand, da gibt es eine Diskrepanz zwischen dem was gesagt und was getan wird, und in wieweit die Bevölkerung wertgeschätzt wird. Es braucht mehr Menschlichkeit in der Politik und vor allem mehr Interesse daran, was die Menschen in dieser Stadt bewegt.

 

Das bringt uns gleich zum nächsten Thema: Sicherheit im Nachtleben. In Freiburg gibt es immer wieder gewalttätige Übergriffe auf Menschen der queeren Community. Haben Sie Vorschläge oder Ideen eines Konzepts, welches zu einer Verringerung solcher Übergriffe führen könnte?

Sicherheit ist definitiv ein wichtiges Thema, vor allem nach der Verunsicherung aus dem letzten Jahr. Freiburg ist seit Jahren die Kriminalitätshauptstadt BaWüs – das ist in meinen Augen kein haltbarer Dauerzustand. Wir brauchen ein besseres Sicherheitskonzept, Entlastung der Polizei und Einsatzkräfte – wo Mehrbelastung anfällt, gibt es eben auch teilweise vorschnelle Reaktionen. Die Sicherheit von Teilnehmenden beim BallVerqueer beispielsweise auch oder beim CSD, muss einwandfrei gegeben sein und gegen Übergriffe und Belästigungen muss lückenlos vorgegangen werden. Generell kann die Lösung hier aber nicht immer nur mehr Polizei sein, sondern es muss ein besseres Angebot, vor allem Aufklärung und Schulung, Stärkung der offenen Jugendarbeit im Bereich queer etc. als Präventionsangebot geschaffen werden. Also eine Wandlung im kommunalen Sicherheitsdenken, weg von Opferschutz hin zu Täterprävention, weg von der Symptombekämpfung hin zur Ursachenbekämpfung.

 

Was alle queeren Gruppen in der Stadt sehr beschäftigt, ist die schlechte Raumsituation. Es fehlen Räumlichkeiten, um sich zu treffen, auszutauschen, zu vernetzen und in der Stadt Sichtbarkeit für LSBTIQA* zu schaffen. Außerdem fehlt eine Ansprechperson der Stadt, die für queere Belange zur Verfügung steht.

Räume ist eine der zentralsten Herausforderungen in Freiburg. Freiburg ist eine wahnsinnig aktive und bunte Stadt, und der Notstand ist massiv, in allen Stadtteilen. Das ist im Grunde eine Missplanung und wir brauchen ein Votum für mehr Räumlichkeiten – kostenlos oder bezahlbar. Man muss hier ganz klar Möglichkeiten schaffen und ich setze mich generell für eine neue Liegenschaftspolitik ein, was bedeuten muss: Freiraum für Begegnung, Grünflächen, fokussierte Anbietung von nachhaltigem Wohn- und Begegnungsraum. Das ist klar das bestimmende Thema bei allen Gruppen, und das kann einfach nicht sein. In Bezug auf eine Ansprechperson für queere Themen – Das Aufgabengebiet der Genderbeauftragten sollte auch queere Themen umfassen.

 

Ein Vorfall, der uns im letzten Jahr sehr betroffen gemacht hat, war die Inhaftierung von einer Gruppe vermeintlich schwuler Männer in Freiburgs Partnerstadt Isfahan (Iran). Bis heute ist unbekannt, was aus diesen Männern geworden ist. Wie könnte man künftig mit derartigen Vorfällen umgehen, vor allem in Bezug auf öffentliche Statements seitens der Stadt?

Es gibt Bestrebungen, die Städtepartnerschaft mit Isfahan aufgrund von Menschenrechtsverletzungen stoppen zu wollen – das sehe ich anders. Ich bin für eine aktive Partnerschaft mit dem Iran, auch mit Tel Aviv, um ein anderes Beispiel zu nennen. Für mich wäre es ein falscher Schritt, diese Tür zuzuschlagen. Ich sehe in der Partnerschaft großes Potential, es müssen aber Missstände angesprochen werden dürfen. Missstände, die auf Religion fußen, prangere ich uneingeschränkt an, denn ich glaube nicht, dass Gottes oder Allahs Liebe an die geschlechtliche Orientierung gebunden ist, und das sollte klar kommuniziert werden. Wenn ein derartiger Vorfall in meiner Amtszeit passiert wäre, hätte ich das ganz klar verurteilt. Dennoch: man hat doch viel mehr Einfluss auf freundschaftlicher Ebene zu diskutieren und die Missstände anzusprechen, als wenn diese Partnerschaft nicht besteht.

Beim Thema Religion ist auch das Erzbistum Freiburg einflussreich. Kann man konkret etwas gegen die Diskriminierung von queeren Menschen tun, die in sozialen Berufen bei kirchlichen Trägern arbeiten (möchten)?

Klare Absage gegen Diskriminierung bei kommunalen Trägern oder durch kommunale Gelder geförderten Trägern, das betrifft beispielsweise auch den katholischen Kindergarten in Freiburg. Kirche darf nicht ausgrenzen, das ist klar, das entspricht nicht deren Auftrag.

 

Kandidat-O-Mat-Antworten

 

Der CSD soll von der Stadt finanziell unterstützt werden.

Ja / Die Stadt muss sich aktiv für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung einsetzten. Hierfür ist der CSD ein[e] gute Möglichkeit.

 

Es sollen von der Stadt Projekte an Schulen zur sexuellen Aufklärung mit Berücksichtigung lesbischer, schwuler, bisexueller , transgender und queerer Identitäten (LGBTQ) gefördert werden.

Ja / Ich stehe für eine weltoffene, soziale und faire Stadtpolitik und setze mich aktiv gegen alle Arten der Diskriminierung ein (inkl. geschlechtliche Orientierung). Entsprechende Aufklärungsprojekte, die aktiv für Akzeptanz und mehr Miteinander werben, sind gerade im schulischen Bereich wichtig.

 


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